Wie die Vergänglichkeit zum Leben gehört
„Sich zu erinnern, dass man sterben wird, ist der beste Weg, den ich kenne, um der Falle zu entgehen und zu glauben man hätte etwas zu verlieren. Du bist vollkommen nackt. Es gibt keinen Grund, um nicht seinem Herzen zu folgen.“
Steve Jobs
bedenke, dass wir sterben werden.
Wie bewusst ist sich der Mensch der Gegenwart seiner Vergänglichkeit eigentlich? Am 8. August ist in Deutschland der Memento Tag. Angelehnt an den lateinischen Ausspruch „Memento Mori“ bedeutet er so viel wie „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“. Im Laufe unserer Geschichte wurde er zu einem Symbol für die Vergänglichkeit allen Lebens und fand in der Kunst, Literatur und Philosophie vielfältige Verwendung. Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass "Memento Mori" eine tiefgründige Aufforderung ist, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen und das Leben im Jetzt erkennbar zu gestalten.
Das Leben zeigt sich in seiner Verletzlichkeit und Fragilität, denn Veränderungen, schicksalhafte Ereignisse und Verluste begleiten unser Menschsein - bis heute. Um sich der Endlichkeit bewusster zu sein, rufe ich zum Memento Tag online zur kreativen Teilnahme „Mein Motiv der Vergänglichkeit“ auf. Hier werden Kunstwerke sichtbar und beschreiben mit kurzen Gedanken, wieso es inspiriert. Es kann sich um ein eigenes Foto, Bild und Collage handeln. Genauso gut kann es ein Werk von einem Kunstschaffenden sein, der die Endlichkeit in eurem Sinne verkörpert. In Kürze erhalten Sie hier einige Impressionen von den Teilnehmenden der Kunstaktion.
Indem wir Vergänglichkeit annehmen, gewinnen wir Freiheit.
In der Kunst findet sich das Thema Vergänglichkeit oft sinnbildlich umgesetzt als melancholische Meditation über das Verschwinden von Dingen. Auch Bilder von Träumen, Begegnungen mit Menschen, Erkundungen der Natur zeigen nur vorübergehende Augenblicke. Manchmal wird das Flüchtige ausdrücklich zum Thema einer Darstellung, die es dennoch festzuhalten und zu bewahren sucht: Eine blühende Kurzlebigkeit, ein flüchtiger Moment im Genuss, eine schwindende Fruchtbarkeit.
Vergänglichkeit betrifft uns alle und erinnert daran, dass nichts für immer bleibt. Schon der Gedanke daran hält uns in Atem, sorgt so manches Mal für dicke Luft. Wir hetzen mit langem Atem durch den Alltag und scheinen wenig mit uns verbunden. Zwischen Anspannung und Entspannung im Fluss unserer Zeit. Atemlos die Stille der Natur, alles wandelt sich stetig.
Leben und Sterben gehören zusammen – wie der Fluss zum Meer gehört, in das er fließt. Aber die Gewissheit, dass unser Leben unweigerlich mit dem Sterben in den Tod übergeht, wird häufig verdrängt. Dabei wäre es sehr heilsam, auch den Prozess des Vergehens in das aktive Leben zu integrieren.
Ich atme, um zu leben.
Der Atem kommt und geht, wie das Leben. Nichts bleibt, wie es ist. Sobald wir ihn festhalten, verlieren wir an Lebenskraft. Lassen wir ihn los, schaffen wir Raum für Neues. Seit der Geburt kommt mein Leben mit jedem Atemzug unweigerlich seinem Ende näher. Ich bin geboren – einatmen. Ich sterbe – ausatmen. Und mit dem letzten Atemzug endet auch das Leben und ich lasse endlich los, was ich bisher besaß. Ein Moment des tiefen Abschieds und Übergangs. Ein letztes Funksignal, welches die nackte Wahrheit offenbart und unser Herz zum Stillstand bringt.
Eintauchen in sich selbst - im Atem, wach und aufmerksam da sein, ihn in Klarheit und Frieden übergeben. Denn am Ende dürfen wir alle einmal ordentlich durchatmen und uns auf die Reise des Lebens einlassen. Vielleicht experimentieren wir hin und wieder mit Explosivlauten, üben uns in Flügelatmung und Herzkreisen, holen Kraft von oben, schließen und öffnen unsere Fäuste, blasen achtsam eine Kerze aus. Und die liegende Acht schwingt auf ewig mit.
Wir alle sind durch die Luft miteinander verbunden, ein Atem der gesamten Schöpfung. Lassen wir uns einladen, die wechselseitige Wirkung von Nehmen und Geben zu spüren und schenken den Tagen mehr Leben. Mit jedem Atemzug ein Stück zum Glück!
Das Selbstportrait stammt aus meinem künstlerischen Projekt “Der Tod hat etwas Tröstendes” und wurde in der Dauerausstellung “Dazwischen. Du, das Leben und die Endlichkeit.” im Sepulkralmuseum in Kassel 2024 öffentlich gezeigt.